Die Wohnzimmertouristen – das sind Marina und Ben, zwei Musikverrückte, die nicht nur die Liebe zur Musik und die gleiche Vision teilen, sondern auch das alltägliche, chaotische Leben als Ehepaar.
„Eine Leopardenhose macht dich nicht sofort exotisch!“ heißt das Debüt-Album des Duos, das am 6. März 2020 erschienen ist – ein außergewöhnlicher, provokanter Titel für das erste Album. Nicht nur der Titel, mit dessen Worten auch die Platte beginnt, macht neugierig, sondern auch die Aufmachung des Albums: ein Hintern in einer Leopardenhose, zwei Hände, die sich an ihm festkrallen. „Ein zwischen beide Schulterblätter hochgerutschtes Arschgeweih, siehst du selber nie, dem Rest geht dein Geweih am Arsch vorbei“ geht es mit souligem Sound, der ein bisschen an Amy Winehouse erinnert weiter. Wer reinhört, merkt schnell: Es geht (manchmal mit einem Augenzwinkern) um verschiedene Themen wie Selbstwahrnehmung, Zickenkriege oder es wird die Musikbranche auf die Schippe genommen.
Zur humoristischen Art einiger Titel gesellen sich aber auch ernstere gesellschaftliche Themen wie Homosexualität, Politik, Drogensucht und der Tod. Alles verpackt in einem Gewand aus Soul und Funk mit Blues-Einflüssen, zusammengeführt zu einem poppigen Gesamtklang.
Alle Titel stammen aus der Feder der Wohnzimmertouristen in Zusammenarbeit mit dem Berliner Lyriker Mirko Steiner. Mit charmanter Ehrlichkeit geht es im zweiten Song weiter: „Sie macht um sich gern sehr viel Show, kann Nip Slip sowie Cameltoe, ist Synonym für Penisneid, akute Stutenbissigkeit“, eine Kriegserklärung an das „Miststück“, welchem viele Frauen in ihrem Leben wahrscheinlich schon einmal begegnet sind. Kein gutes Haar bleibt an ihr übrig, mit Ausnahme des Ponys, den sie sich wund färbt. Der Klang des Stücks wird getragen von einer rockigen Gitarre, die sich immer weiter in luftige Höhen schraubt und im Schlussrefrain in einen Solo-Dialog mit der Leadstimme mündet.
In gleicher Manier folgt sogleich der nächste Song: „Ich möchte von der Klum kein Foto, brauch vom Bohlen keinen Hit“, „Ich bin ich und ich will es bleiben“ singt Marina aus vollem Herzen. „Trag im Bett kein Lack und Leder, liebe trotzdem nicht vegan, esse alles, was mich satt macht, scheiße auf den Schlankheitswahn“ sind kernige Aussagen, mit denen die Wohnzimmertouristen dem Schönheitswahn, Castingshows und dem von den Medien geprägten Idealbild der Frau den Kampf ansagen. Die Wohnzimmertouristen kommen dabei ganz ohne Samples oder programmierte Spuren aus, alles ist handgemacht: Ein Schlagzeug, ein Bass, ein Vintage-Piano und eine E-Gitarre, mehr braucht es nicht, um den Klang, der sich zwischen Rock, Blues und Soul bewegt, zu erzeugen.
Fröhlich und beschwingt, doch auch mit kritischem Unterton kommt die Pop-Hymne „Lied von der Liebe“ daher. Besungen werden im Chor die symbolischen Regenbogenfarben, bevor das Stück im Refrain gipfelt: „Wer wen hier liebt, wär mir in diesem Song egal, zählt denn nicht bloß, dass es da zwei Verliebte gibt?“, mit diesen Worten fordern die Wohnzimmertouristen die Normalität der gleichgeschlechtlichen Beziehung, und dass Homosexualität in unserer heutigen Gesellschaft kein Tabuthema, sondern eine Selbstverständlichkeit sein sollte.
Im Song „Jedes Jahr“ werden Wünsche wahr! Mit sanfteren Worten, jedoch im rockigen Pop-Balladen-Sound à la „Kings of Leon“, präsentiert sich dieser. Er soll dem Hörer Mut zusprechen, nach all den Rückschlägen, die ein Mensch durchleben kann, sich auf den Weg der Hoffnung zu begeben.
„Support? Klar, gegen Cash sofort!“ Der Titel „Alles Geld hat seinen Preis“ beginnt mit einem Augenzwinkern und humoristischem Bläserintro. Zu den treibenden Klängen der Bässe und der Gitarren reimen die Wohnzimmertouristen Zeilen wie: „Ich nehme von dir 20 Prozent für Spesen und dein Management“, um anschließend im Refrain voll aufzudrehen: „Wer nach oben will, der fragt nicht nach, hat lautstark ja gesagt, Reichtum, Ruhm und Rampenlicht gibt es kostenfrei halt nicht!“.
Die überspitzte Darstellung des Showgeschäfts lässt so manch einen mit einem Schmunzeln auf den Lippen zurück. Der Sound dazu bewegt sich irgendwo zwischen Jan Delays „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ und Daft Punks „Get Lucky“. Das Debüt-Album der Wohnzimmertouristen präsentiert sich erfrischend vielseitig. Sowohl Liebhaber des Blues und Soul, aber auch Pop-Rock-Fans kommen hier auf ihre Kosten. Fest steht: Das Album sorgt beim Hören für mehr als nur eine Überraschung.